Diäten sind eine Katastrophe, das wissen wir alle, trotzdem lassen sich viele nicht davon abhalten, immer wieder welche zu machen. Die Versprechungen sind einfach zu verlockend. Das Ziel »Abnehmen« reicht den meisten nicht. Es muss »schnell viel abnehmen« sein. Immer wieder lese ich das in Abnehmforen. »Wie kann ich schnell 20 Kilo abnehmen?«

Warum schnell? Oftmals sind die Erwartungen durch Diäten wie »7 Kilo in 7 Tagen« so hoch angesetzt, dass das jeder natürlichen Abnahme widerspricht. Kein Mensch nimmt 7 Kilo Fett in 7 Tagen ab. Wenn sich eine solche Reduktion nach einer Woche überhaupt auf der Waage zeigt, ist das alles nur Wasser. Männer nehmen leichter ab als Frauen, oft auch schneller, aber selbst ein Mann kann das nicht schaffen. Und als Frau, die eventuell schon viele Diäten hinter sich hat, sollte man sich vernünftigerweise sagen, dass das noch nie geklappt hat. Warum sollte es also diesmal klappen? Es ist schlichtweg unmöglich. Der Körper braucht eine gewisse Zeit, um Fett – echtes Körperfett, nicht Wasser – abzubauen, das ist ein physiologischer Prozess, den man durch nichts beschleunigen kann. Der Körper hat seine eigene Zeitrechnung, und die hat nichts mit dem zu tun, was wir gern hätten.

Wir können unsere Abnahme nicht durch Willenskraft erzwingen, dann wären vermutlich die meisten von uns schlank. Ein bisschen Willenskraft braucht man vielleicht, aber wirklich nur ein bisschen, um überhaupt zu beschließen, sich ab heute natürlich schlank zu ernähren. Ansonsten braucht man bei dieser Methode keinerlei Willenskraft, man muss nur Frieden mit seinem Körper schließen, mit seinen Signalen. Kommunikation ist heutzutage unser täglich Brot, Informationsvermittlung in jeder Form, Signale senden und empfangen. Das können wir mittlerweile wirklich gut. Wir haben ein Handy und schicken und empfangen SMS, wir haben einen Computer und schicken und empfangen E-Mails, wir chatten über WhatsApp und Twitter und noch Dutzende anderer Dienste. Merkwürdigerweise verstehen wir da einiges an Signalen. Schon allein die vielen verschiedenen Emoticons, die sich immer wieder ändern, zeigen, dass wir da aufnahmefähig und auch lernfähig sind.

Aber was ist mit den Signalen unseres Körpers? Was ist so schwierig daran, das Signal »Hunger« zu verstehen oder das Signal »Satt«? Eigentlich gar nichts. Aber wie das oft so ist im Leben: Wir wollen es nicht hören. Das ist keine bewusste Entscheidung, sondern eine unbewusste. Ich habe mich schon mit ungeheuer vielen Leuten über natürlich schlank unterhalten, und immer wieder höre ich: »Ich weiß nicht, wie sich Hunger anfühlt« oder »Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, satt zu sein«. Das ist in der Tat ein Problem in unserer überfressenen Gesellschaft, aber kein unlösbares. Ich selbst muss zugeben, dass ich zeitweise auch so gegessen habe, dass ich weder Hunger noch Sattsein spürte. Ich habe einfach ununterbrochen gegessen, ohne auf meinen Körper zu hören. Gerade hatte ich etwas gegessen, dann ging ich schon wieder zum Kühlschrank, zur Brotbox oder zum Herd und dachte über das nächste nach, was ich essen könnte. Dass bei dieser Ernährungsweise schnell ein Kilo zum anderen kam, bis sie überall an meinem Körper herausquollen, ist leicht nachzuvollziehen. Ich wusste absolut nicht mehr, wie es sich anfühlte, hungrig oder satt zu sein, ich war ständig überernährt.

Für eine gewisse Zeit war das so, und das war schrecklich. Aber selbst wenn es in dieser Zeit so war, war es doch nicht mein ganzes Leben lang so. Obwohl ich bis auf meine ersten Kindheitsjahre, bevor ich in die Schule kam, praktisch mein ganzes Leben lang übergewichtig war, hatte ich oft genug erlebt, wie es sich anfühlt, nach einem langen Vormittag aus der Schule zu kommen und fürchterlichen Hunger zu haben. Dann zu Hause Mittag zu essen und genussvoll satt zu sein. Niemand, der mir heute erzählt, er wüsste nicht, wie Hunger oder Sattsein sich anfühlt, kann mir erzählen, dass das schon sein ganzes Leben so war. Wir wissen alle, wie es sich anfühlt, hungrig oder satt zu sein. Wir haben es nur verdrängt oder vergessen.

Deshalb müssen wir uns wieder daran erinnern. Bei mir hat sich da viel getan, als ich mal eine Zeitlang gefastet habe. Etwas übertrieben, mehrere Wochen lang, aber eine Woche reicht auch schon. Dann verändern sich die Signale des Körpers massiv. Bei mir hatte das zur Folge, dass ich nicht nur während der vier Wochen, die ich gefastet habe, 14 Kilo abgenommen habe, sondern auch danach sehr wenig Hunger hatte und weiterhin wenig gegessen habe, verglichen mit vorher. Auf diese Art habe ich die Abnahme der Fastenperiode mehrere Jahre gehalten, ohne mich anzustrengen. Ich habe mich damals tatsächlich natürlich schlank ernährt, ohne den Begriff zu kennen. Ich hatte recht wenig Hunger, wenn ich Hunger hatte, habe ich gegessen, war aber sehr schnell satt und habe dann aufgehört, weil ich einfach nicht weiteressen konnte.

Leider habe ich damals in jungen Jahren das Prinzip nicht erkannt und habe mir eingebildet – das tun wir ja immer alle sehr gern, uns etwas einbilden –, dass ich nun ganz von selbst nie wieder zunehmen würde, ohne auf irgendetwas achten zu müssen. Das ist ein Trugschluss, selbst bei natürlich schlank. Unsere Essgewohnheiten machen unsere Figur, und wenn wir unsere Essgewohnheiten ändern, ändert sich auch unsere Figur, wir werden dicker oder dünner. In dem Moment, als ich nicht mehr aufhören wollte zu essen, obwohl ich satt war, als ich wieder anfing zu essen, obwohl ich keinen Hunger hatte, nahm ich wieder zu. Langsam, aber stetig. Bis ich zum Schluss mehr wog als vor der Fastenkur. So etwas geschieht nicht nur nach Diäten – auch wenn der JoJo-Effekt da meistens sehr viel schneller folgt –, sondern es geschieht auch unter anderen Bedingungen. Es geschieht einfach dann, wenn wir dauerhaft mehr essen als wir verbrauchen. Das ist eine altbekannte Tatsache.

Das Zauberwort dabei ist dauerhaft. Niemand wird davon dick, wenn er mal ein Stück Kuchen isst oder eine Pizza, wenn er mal Pommes und Currywust genießt oder ein Glas Wein oder Bier, wenn er mal bei einer Feier über die Stränge schlägt und 4000 Kalorien zu sich nimmt. Das alles kann unser Stoffwechsel gut regeln. Dann hat man am nächsten Tag eben weniger Hunger, oder man isst am nächsten Tag bewusst nur Gemüse und Obst, und schon ist wieder alles im Lot. Oftmals muss man sich noch nicht einmal sehr anstrengen, weil das ganz automatisch geschieht. Nach viel Alkohol hat man Lust auf frische Lebensmittel, um den Nährstoffmangel auszugleichen.

Die immer wieder gern zitierten natürlich schlanken Menschen halten so ihr Gewicht mühelos, ohne viel darüber nachzudenken. Oftmals sieht man sehr schlanke Frauen aus der Bäckerei kommen und ein süßes Teilchen verzehren. Ist man übergewichtig, denkt man dann meistens neidisch: »Deren Stoffwechsel möchte ich haben« oder »Ach, könnte ich doch auch so schlank sein und gleichzeitig Kuchen essen«.

Die Wahrheit ist: Wir alle können das. Denn wenn diese junge Frau nicht irgendeine Stoffwechselstörung hat, wird sie im Verlauf des restlichen Tages nur so viel essen, dass das Teilchen noch in ihre Kalorienbilanz passt. Auch wenn sie keine Kalorien zählt. Was wir Übergewichtigen oft nicht sehen, ist: Sie isst diese Teilchen nicht kiloweise am Tag. Sie isst nicht jede Stunde eins. Sie isst nicht mehrere davon. Sie isst dieses Teilchen vielleicht statt eines Mittagessens. Sie isst nach diesem Teilchen eventuell stundenlang nichts, weil sie satt ist. Sie lehnt im Büro das nächste Teilchen ab und sagt: »Nein danke, ich hatte schon eins. Ich bin satt.« Ihr Verhalten lässt sie schlank sein, nicht der Verzicht auf alles Süße oder Kalorienhaltige.

Das ist der Unterschied, der viele, viele Kilos ausmacht. Natürlich schlanke Menschen verzichten auf gar nichts. Aber sie essen alles nur in der Menge, die ihr Körper benötigt, nicht mehr. Und wenn sie einmal mehr essen, dann gleicht sich das in den nächsten Tagen wieder aus, weil sie weniger Hunger haben und sich nach diesem Hungergefühl richten. Logischerweise gibt es dann eine Abnahme, aber keinen JoJo-Effekt, wenn wir Übergewichtigen uns dieses Verhalten zueigen machen. Es erfordert keine Disziplin, sich so zu verhalten, denn es ist ja nichts verboten. Will ich etwas sehr Fettes oder sehr Süßes essen, esse ich es eben. Will ich Pizza essen, esse ich sie eben. Es gibt keinerlei Einschränkungen.

Aber eins muss man sich klarmachen: Kein schlanker Mensch isst den ganzen Tag Pizza oder jeden Tag. Kein schlanker Mensch isst ständig Süßigkeiten und dann noch fünf Mahlzeiten am Tag. Kein schlanker Mensch nascht ununterbrochen und haut sich dann mittags und abends noch zusätzlich Schweinebraten mit Klößen rein. Ein natürlich schlanker Mensch hat gar nicht das Bedürfnis, das zu tun. Denn wir essen ja nur das, worauf wir Appetit haben. Und wenn ich einen Tag mal Pizza hatte, reicht mir das für eine Weile. Dann habe ich auf andere Sachen Appetit. Denn mein Körper möchte mit immer wieder anderen Nährstoffen versorgt werden.

Wenn ich natürlich schlank zu meinem Lebensstil mache, muss ich auf nichts verzichten, aber ich muss lernen, auf meinen Körper zu hören. So, wie ich bei einer roten Ampel mit dem Auto anhalte, höre ich auf zu essen, wenn ich satt bin. So, wie ich bei einer grünen Ampel losfahre, esse ich, wenn ich Hunger habe.

Niemand macht sich Gedanken darüber, dass er das im Verkehr tut, oder denkt, er müsste deshalb auf irgendetwas verzichten. Und genauso sollten wir es beim Essen machen. Kein Verzicht, einfach nur Signale beachten. Dann läuft der Verkehr reibungslos und die Abnahme (beziehungsweise das Gewichthalten) auch.

 

 

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