Ich habe dieses Video von dem sympathischen Dr. Everke aus Konstanz gefunden – Konstanz ist mir ohnehin sympathisch, weil ich dort einige sehr glückliche Jahre verbracht habe wink –, der die Unsinnigkeit von Diäten begründet.

Das einzige, wovon er offensichtlich nicht die geringste Ahnung hat, ist Kurzzeitfasten bzw. Intermittierendes Fasten, das merkt man deutlich an seiner Antwort auf eine entsprechende Frage zum 10in2. Er hält das für falsch, weil er meint, der Körper würde dann quasi sofort in den Hungermodus schalten. Ganz offenbar weiß er nicht, wovon er spricht, sondern hat sich die Antwort schnell so zusammengewurschtelt.

Neuere Erkenntnisse der letzten Jahre beweisen, dass er da Blödsinn redet, und er hätte lieber seinen Mund halten sollen, wenn er nichts darüber weiß. Genauso, als die Frage zum Dinner Canceling kommt, die ja in dieselbe Richtung zielt. Offenbar ist er jemand, der gern dreimal am Tag isst, zudem ist er ein von Natur aus Schlanker, der nie zu Übergewicht geneigt hat. Aber niemand sollte seine eigenen Vorlieben und genetischen Privilegien als Grundlage für die Beurteilung der Situation anderer nehmen und meinen, er könnte von sich auf andere schließen. Wenn er dreimal am Tag essen muss oder will, soll er das tun, das will ich ihm gar nicht nehmen, aber das gilt nicht für jeden.

Und zu behaupten, unser Körper wäre so gebaut, dass man alle vier oder fünf Stunden etwas essen müsste, ist natürlich widersinnig. Wann in der Menschheitsgeschichte wäre es je der Fall gewesen, dass man so hätte überleben können? Eine so regelmäßige Versorgung mit Nahrung gibt es erst seit extrem kurzer Zeit. Selbst wenn man diese Zeit auf ein paar hundert Jahre ansetzen würde, wäre das nur ein Wimpernschlag in der Geschichte der Menschheit, die keinen Einfluss auf unseren Bauplan nehmen konnte.

Also ganz klar: Niemand muss dreimal am Tag essen, zweimal oder einmal am Tag reichen auch, wenn man damit zufrieden ist. Und wenn man einen Tag fastet und einen Tag isst, immer im Wechsel, verbessert man seine Gesundheit. Selbst bei der Variante 5:2 erreicht man diese gesundheitlichen Vorteile noch und nimmt auf ein gesundes Gewicht ab. Das muss nicht das rein rechnerische Idealgewicht sein, da stimme ich Dr. Everke zu. Für einen natürlich rundlichen Menschen wird das Gewicht, das er damit erreicht, vielleicht nicht gerade bei einem BMI von 18 liegen. Aber das ist auch nicht nötig.

Ich gehöre ja sozusagen zu den Betroffenen, da ich den größten Teil meines Lebens übergewichtig war und mir das eigentlich nicht erklären konnte. Als Kind war ich schlank, ich habe nichts an meinen Essgewohnheiten geändert, und dann wurde ich plötzlich dick, nachdem ich so ein, zwei Jahre in der Schule war. Warum?

Vorher hatte ich nie Probleme, mein Gewicht zu halten. Ich habe gegessen wie ein Scheunendrescher, wenn ich vom Spielen zum Essen hereinkam, aber zugenommen habe ich nie. Kinder, die sich noch im Wachstum befinden, verbrauchen sehr viel Energie, aber auch nachdem ich in die Schule gekommen war, war ich immer noch ein solches Kind. Und ich war immer sehr beweglich, unruhig, aufmerksam und aufnahmebereit.

In der Schule wurde ich dann aber gezwungen, stundenlang still zu sitzen, was das Schlimmste ist, was man einem energiegeladenen Kind antun kann. Es machte mir nicht sehr viel aus, weil ich ja wild darauf war, etwas zu lernen. Schon mindestens ein Jahr, bevor ich in die Schule kam, habe ich meine Mutter damit genervt, dass ich fast jeden Tag fragte: „Wann kann ich denn endlich in die Schule gehen? Morgen?“

Ich wollte lernen, lernen, lernen. Das war für mich das Schönste, was es gibt. Jeden Tag etwas Neues erfahren, jeden Tag die Datenbank etwas mehr füllen. Ist heute noch so.

Leider kam die Schule mir da nicht so entgegen, es ging alles viel zu langsam und wurde tausendmal wiederholt, obwohl ich es schon beim ersten Mal begriffen hatte und dann gern zum nächsten übergegangen wäre. Ich kippelte ungeduldig auf meinem Stuhl und dachte: Wann geht es denn endlich weiter? Das haben wir doch alles schon gehört.

Ich hätte eigentlich neunzig Prozent der Zeit auf dem Schulhof oder zu Hause verbringen können, dann hätte ich genauso viel gelernt. Man hätte mir den ganzen Schulstoff des Vormittags in ein paar Sätzen zusammenfassen können, und dann hätte ich mich wieder dem Spielen widmen können.

Bedauerlicherweise wurde mir das nicht erlaubt. Dann wäre ich vermutlich nicht dick geworden. Aber ich musste im Klassenzimmer sitzen, bis auch der Letzte in der Klasse das begriffen hatte, was mir schon beim ersten Mal klargewesen war. Sehr ärgerlich.

Da mir der Schulstoff aber nicht schnell und komprimiert präsentiert wurde, sondern nur in homöopathischen Dosen, begann ich zu Hause zu lesen. Hausaufgaben waren ein Klacks und immer in wenigen Minuten erledigt. Dann lag der lange Nachmittag vor mir. Kein Lernen, keine interessanten neuen Erkenntnisse, gar nichts. Langeweile pur.

Da blieben nur Bücher. Bücher liest man aber im allgemeinen im Sitzen. Gut, man kann auch dabei stehen, aber das ist eher ungewöhnlich. Also setzte ich mich aufs Sofa und las und las und las, um endlich das zu lernen, was ich gern in der Schule gelernt hätte, mir dort aber vorenthalten wurde.

Ich las alle Schulbücher gleich am Anfang des Jahres, wenn ich sie neu bekam, durch. Hätte ich nicht tun sollen, denn dadurch wusste ich schon alles und langweilte mich den Rest des Jahres noch mehr. Aber ich war eben so neugierig.

Doch die wenigen Schulbücher reichten natürlich nur für einige Tage. Dann war ich mit dem Stoff für das ganze Jahr fertig. Was also jetzt? Nach draußen gehen, spielen, hätte die Antwort lauten können, aber meine Neugier war so übermächtig, dass ich lieber lesen wollte. Draußen kannte ich schon alles. Und beim Spielen lernte ich nicht mehr viel dazu.

So geriet ich in die Übergewichtsfalle. Ich hatte mich vorher extrem viel bewegt, alles verbrannt, was ich aß. Außerdem zögerte ich jede Mahlzeit so lange wie möglich hinaus, denn wenn ich erst einmal Bäume hoch- und runterkletterte oder Garagendächer erstieg, Fußball spielte oder Fangen, Cowboy und Indianer oder Gummitwist, interessierte mich nichts anderes mehr. Ich hätte am liebsten nie damit aufgehört.

Frühstück aß ich auch als Kind schon nicht, ich bekam mein Leben lang morgens nichts herunter, also ging ich mit leerem Magen oder höchstens mit einem Kakao als Start in den Tag zum Spielen hinaus und kam erst zum Mittagessen wieder herein. Nachdem ich die ganze Nacht über nichts gegessen hatte, verlängerte ich also unbewusst die Fastenphase schon als Kind und aß erst mittags die erste Mahlzeit.

Danach ging ich wieder zum Spielen hinaus und kam erst zum Abendessen wieder. Das waren meine beiden Mahlzeiten am Tag. Ich aß viel zu den Mahlzeiten, ich habe immer gern gegessen und wurde beim Essen auch nicht beschränkt, aber nur zwei Mahlzeiten am Tag und dazwischen lange, lange Stunden Essenspausen, die fast ausschließlich mit Bewegung gefüllt waren – wer konnte da schon dick werden?

Das änderte sich leider mit der Schulzeit. Ich verbrachte kaum mehr eine Stunde am Tag vor der Tür, und oftmals nicht mal das. Ich saß auf dem Sofa und las. Jeden Tag. Mehrere Bücher in der Woche.

Ich tauchte in diesen Büchern in Welten ein, die mich faszinierten. Geschichten anderer Menschen in anderen Kontinenten oder zumindest anderen Ländern oder auch Geschichten, die in Deutschland spielten, aber anders, als ich es kannte. Andere Familien, andere Personen, andere Erlebnisse. Das, was ich mir selbst gewünscht hätte, erlebte ich in Büchern.

Ich hatte keinen Hund und wünschte mir einen. Ich las Hundebücher und hatte das Gefühl, nun würde ich selbst mit Lassie durch das schottische Hochland streifen.

Ich liebte Pferde, aber logischerweise wurde mir auch nicht der Wunsch nach einem eigenen Pferd erfüllt, also las ich Pferdebücher, die mich in Abenteuer entführten, die ich empfand, als würde ich sie selbst erleben.

Es war ein sehr aufregendes Leben, diese ersten Jahre des Lesens, als alles noch neu und unbekannt war, aber es war auch ein ziemlich bewegungsloses Leben.

Ich aß nicht mehr – aber auch nicht weniger.

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Wird fortgesetzt

 

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