Viele Abnehmwillige sind geradezu süchtig nach dieser Sendung. Wenn man mal so durch Abnehmforen surft, findet man immer wieder die Bemerkung: „So, und jetzt muss ich BL gucken.“ Anscheinend sind viele sogar stolz darauf, dass sie diese Sendung verfolgen. Als ob die Kandidaten für sie abnehmen würden.

Oder ist es eher Schadenfreude? Die sind so dick, dagegen bin ich ja noch schlank? Oder Wenn die abnehmen können, dann kann ich das auch? Ist es eine Motivation für das eigene Abnehmen, wenn man sieht, dass extrem dicke Leute dort tatsächlich dünner werden?

Was auch immer es ist, das Leute so an dieser Sendung fasziniert, eins ist auch klar: Die wenigsten Kandidaten werden das verlorene Gewicht lange genießen können. Bis auf Ausnahmen werden die meisten alles wieder zunehmen – und mehr. Wie bei jeder Diät.

Zu Anfang sehen die Ergebnisse phantastisch aus, geradezu berauschend. Kein Wunder, die Kandidaten werden gequält, bekommen weniger zu essen – wesentlich weniger, als sie normalerweise essen würden, und auch wesentlich weniger, als sie eigentlich brauchen – und werden gleichzeitig dazu gezwungen, sich sehr viel mehr zu bewegen. Das ist wie Hungern in einem Arbeitslager. Logischerweise nimmt man da ab, der Körper hat gar keine andere Chance, als verzweifelt auf alle Reserven zurückzugreifen, die er gebunkert hat.

Nach sechs Wochen schon und ganz besonders nach dreißig Wochen, wenn die Staffel zu Ende ist, sind die Ergebnisse beeindruckend. Und wenn man die Abnahme der Kandidaten wissenschaftlich betrachtet, haben sie tatsächlich eine Menge Fett verloren, nicht Wasser oder Muskelmasse. Bei einer Untersuchung, die bei den Kandidaten gemacht wurde, hatten sie innerhalb dieser 30 Wochen durchschnittlich 60 Kilogramm abgenommen, das Gewicht einer normalen Frau. Der Fettanteil der Körper war im Durchschnitt von 49% auf 28% gefallen.

Ein großartiger Erfolg. Sehr motivierend. Man kann es also schaffen, wenn man sich nur genügend anstrengt, weniger isst und sich mehr bewegt. Die klassische Empfehlung jeder Diät. Weshalb ja auch alle Diäten so dauerhaft erfolgreich sind.

Oder nicht?

Man muss doch nur weitermachen. Diejenigen, die in diesen 30 Wochen so hart gearbeitet, sich so beschränkt und so viel Durchhaltevermögen bewiesen haben, haben offensichtlich Willenskraft und Disziplin, alles, was man zum Abnehmen braucht – wird uns zumindest von DiätberaterInnen erzählt …

Ja, wenn es nur darum ginge. Dann wären viele Leute viel dünner, als sie sind. Aber warum sind die Kandidaten dann nach kurzer Zeit wieder dick – und noch dicker als vorher?

JoJo-Effekt, ganz klar. Sie fressen wieder, halten sich nicht mehr an ihre Diät, bewegen sich nicht mehr. Sie sind selbst schuld. Alles ein persönliches Problem, eines des Verhaltens. Und wer wieder zunimmt, ist ein Versager. Er hätte es vermeiden können, wenn er nur weiter diszipliniert und willensstark gewesen wäre. Aber diese Dicken sind ja alle so schwach. Wieso wären sie sonst dick? Seht doch die Schlanken an. Die haben Disziplin, deshalb sind sie so.

Ach wirklich? Was für ein Blödsinn.

Kennen Sie viele Schlanke, die eine Waage besitzen? Die alles abwiegen, was sie essen? Die jede Kalorie aufschreiben? Okay, das gibt es, aber die meisten Leute, die von Natur aus schlank sind, machen das nicht. Sie kümmern sich nicht um ihr Gewicht. Trotzdem nehmen sie nicht zu. Manche nehmen dann zu, wenn sie älter werden, Frauen bei Schwangerschaften oder wenn sie in die Menopause kommen, Männer, wenn sie über 50 oder 60 sind, aber bis dahin … bleiben sie schlank, egal, was sie essen und trinken.

Zu einem großen Teil ist unser Gewicht genetisch bestimmt, etwa 70% beruhen auf unseren Genen. Es gibt rundliche Familien, und es gibt schlanke Familien, das weiß jeder, das kann man mit bloßem Auge sehen. Dennoch muss ein Teil auch der Umwelt geschuldet sein, sonst wären heutzutage nicht so viel mehr Leute dick, als es früher der Fall war. Auch da gab es diese 70% genetische Komponenten, und trotzdem gab es selten jemand, der so aus den Nähten platzte, wie es heute fast schon normal ist.

Da Übergewicht früher nur eine Randgruppe betraf, und diese Randgruppe eher stolz darauf war, denn Übergewicht zeigte an, dass man reich war und sich gute, kalorienhaltige Sachen leisten konnte – weißes Mehl statt Vollkornmehl zum Beispiel, weißen, raffinierten Zucker zum Süßen statt braunen Rübensaft usw. –, gab es keinerlei Bedarf für Diäten. War man dünn, zeigte man damit an, dass man arm war, und das wollte niemand. Je mehr Gewicht, desto mehr Prestige.

Heute hat sich das fast schon ins Gegenteil verkehrt. Dicksein ist eher ein Zeichen für Armut als für Reichtum (beispielsweise ist der amerikanische Staat Mississippi in den Südstaaten der USA der ärmste Staat der ganzen Union – und gleichzeitig gibt es dort die meisten dicken Menschen in den Staaten), denn wenn man genug Geld hat, kann man sich gesundes Essen leisten, gutes Fleisch, frisches Gemüse und Obst, und ist deshalb vermutlich schlanker.

Arme Leute ernähren sich oft von billigem Junk Food und sind dementsprechend fettleibig. Man betrachte nur die hämischen Bilder von extrem übergewichtigen Menschen, die auf den „Einkaufsrollstühlen“ der Supermarktkette Walmart durch Amerikas Billigsupermarkt rollen. Wie kann ein Mensch nur so dick werden? fragt man sich da oft. Und noch viel erschreckender: Wie können so viele Menschen so dick werden, dass sie nicht mehr laufen können? Wieso hören die nicht einfach auf zu essen? Fühlen die sich wohl so?

Es liegt sicherlich nahe, sich solche Fragen zu stellen, wenn man solche Bilder sieht, aber so sehr es auch so aussieht und wir das gern annehmen: Sind diese Menschen wirklich alle selbst an ihrem Übergewicht schuld? Und wären die nicht wunderbare Kandidaten für The Biggest Loser? Die müssen nur weniger essen und sich mehr bewegen, und schon wäre ihr Problem gelöst.

Wäre es das?

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Wird fortgesetzt

 

 

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