Ich habe jetzt immer wieder erwähnt, dass es nicht auf die Kalorien ankommt, die man zu sich nimmt, und auch nicht auf die Kalorien, die man verbraucht. Das klingt für viele von uns unverständlich, geradezu unlogisch. Denn jahrzehntelang hat man uns eingeredet, unser Übergewicht wäre das Ergebnis unserer positiven Energiebilanz. Sprich wir nehmen mehr Kalorien zu uns, als wir verbrauchen. Und das macht uns dick. Die Lösung kann also nur sein – so wurde uns fast mit dem Presslufthammer eingebläut – weniger zu essen und uns mehr zu bewegen.
Viele von uns sind diesem Ratschlag gefolgt, mit Diäten und mehr Sport. Kurzzeitig funktioniert das auch, denn wenn unser Körper plötzlich weniger Energie zugeführt bekommt, greift er auf unsere Fettdepots zurück, um unsere lebensnotwendigen Funktionen aufrechtzuerhalten. Bewegt man sich dazu noch mehr, muss er noch ein wenig mehr Energie aus den Fettdepots holen. Wir freuen uns, weil wir abnehmen.
Langfristig funktioniert das jedoch nicht. Denn wenn die verringerte Energiezufuhr anhält – was bei Diäten immer der Fall ist –, passt unser Körper nach relativ kurzer Zeit unseren Energieverbrauch an. Der war zu Anfang aufgrund unseres Übergewichts vergleichsweise hoch, nun sucht der Körper nach Möglichkeiten, den Verbrauch zu verringern. Das gelingt ihm, indem er unsere Körperwärme herunterregelt und andere Körperfunktionen zurückfährt, um Energie zu sparen. Uns wird kalt, wir werden schlapp und müde. Gleichzeitig wird das Hungerhormon Ghrelin hochgefahren, denn wir sollen essen, damit unsere Körperfunktionen nicht ganz einschlafen.
Uns ist jetzt also kalt, wir sind schlapp und müde, und wir haben Hunger.
Das geht meist oder eigentlich immer auch Hand in Hand mit einem Gewichtsstillstand. Wir landen auf einem Plateau und wissen nicht, warum. Weil wir doch immer noch weniger essen als vorher und mehr Sport machen. Das, was wir ihm weniger an Energie zuführen, hat unser Körper aber mittlerweile von unserem Energieverbrauch abgezogen, als hätte man zu Hause eine Heizung heruntergestellt, die dann weniger Öl oder Gas verbraucht. Also bleibt unser Gewicht stehen, und wir sind frustriert, weil wir uns so anstrengen und doch nichts dabei herauskommt.
Die Ironie daran ist, dass wir uns gar nicht so sehr anstrengen müssten. Das hat uns nur nie jemand gesagt. Es geht nämlich nicht um Kalorien. Davon wusste bis vor vergleichsweise kurzer Zeit niemand etwas. Vor fünfzig oder sechzig Jahren war der Begriff Kalorien der Gesamtbevölkerung ziemlich unbekannt. Nur Physiker konnten etwas damit anfangen, denn es ist eine physikalische Einheit.
Und darin liegt auch der Denkfehler. Als man begann, die physikalische Einheit Kalorien auf die Physiologie des Menschen zu übertragen, hat man dabei vergessen, dass das zwei verschiedene Dinge sind. Man wollte die Energiezufuhr in den Körper und den Energieverbrauch des Körpers messen, aber das ist gar nicht so einfach.
Die Idee war, dass die Energie in unserem Körper dasselbe ist wie die Energie in einem Tank. Bei einer Heizung beispielsweise lagern wir Öl oder Gas in einem Tank, das wird dann Stück für Stück verbraucht, wenn wir die Heizung benutzen, und irgendwann ist der Tank leer und muss wieder aufgefüllt werden. Stellen wir die Heizung höher, wird mehr verbraucht. Wollen wir Öl oder Gas sparen, stellen wir die Heizung herunter.
Logisch und verständlich für jeden. Nur leider falsch. Für Heizungen gilt das, für Menschen nicht. Oder nur eingeschränkt, denn auch unser Körper fährt die Heizung herunter oder hinauf, je nachdem, wie viel Energie wir ihm zuführen. Beim Essen wird uns heiß, ohne Essen wird uns kalt. Deshalb schien es offensichtlich zu sein, dass man das analog zu dem physikalischen Modell betrachten kann.
Dabei hat man jedoch die Hormone vergessen, die alles in unserem Körper regeln. Eine Heizung hat keine Hormone, nur einen Thermostaten.
Jedes Hormon in unserem Körper hat eine Funktion und ist wichtig. Und wenn man die Energiezufuhr durch Essen betrachtet, ist das Hormon Insulin eines der wichtigsten. Es springt an, wenn wir essen, und es legt sich schlafen, wenn wir nicht essen. Das ist jetzt sehr laienhaft ausgedrückt, denn das Insulin schläft nicht wirklich. Wenn wir längere Zeit nichts essen, sorgt es dafür, dass Fett abgebaut wird, damit unser Körper weiterlaufen kann.
Dabei entstehen jedoch keine Insulinspitzen, wie sie entstehen, wenn wir essen, und ganz besonders dann, wenn wir Süßes essen oder auch Eiweiß. Wie viel Fett wir essen, ist egal. Das triggert das Insulin nicht. Deshalb kann man sehr viel Fett essen, ohne zuzunehmen. Man nimmt dabei meistens sogar noch ab.
Dennoch hat auch das seine Grenzen, insbesondere bei uns Übergewichtigen. Denn wenn wir unserem Körper genügend Fett zuführen, gibt es keinen Grund mehr für ihn, unsere Fettdepots abzubauen. Er verbraucht einfach das Fett, das er von außen bekommt, und unser Fett bleibt im Lager. Für schlechte Zeiten.
Dr. Jason Fung vergleicht das immer mit einem Kühlschrank in der Küche und einer Gefriertruhe, die im Keller steht. Solange der Kühlschrank voll ist, überlegen wir uns, ob wir uns die Mühe machen, in den Keller zu gehen und etwas aus der Gefriertruhe zu holen. Wenn der Kühlschrank leer ist und wir noch Sachen in der Gefriertruhe haben, holen wir etwas zum Essen herauf.
Übertragen auf unseren Körper bedeutet das, wir müssen dafür sorgen, dass unser Kühlschrank leer wird. Wir dürfen also nicht einkaufen gehen und den Kühlschrank wieder füllen. Dann wird die Gefriertruhe im Keller – unsere Fettdepots – nie angegriffen und bleibt jahrelang voll. Wir bleiben jahrelang dick.
Wie wird unser Kühlschrank nun leer? Im wirklichen Leben wäre die Antwort: indem wir ihn leer essen. Wir essen einfach alles auf, was im Kühlschrank ist.
Wenn er dann leer ist, gehen wir nicht einkaufen, sprich also, wir essen nicht, und so bleibt unserem Körper, der seine Funktionen erhalten will, nichts anderes übrig, als in den Keller zu gehen und das Fett aus der Gefriertruhe heraufzuholen.
Es geht also darum, so lange nichts zu essen, bis unser Körper das, was im Kühlschrank ist, für unseren Energiebedarf verbraucht hat und Nachschub braucht. Den er nicht von außen bekommt. Weil wir nichts essen (sprich: nicht einkaufen). Also wandelt er unser eingelagertes Fett in Nahrung um.
Ganz einfach, oder? Dieser Fettabbau gelingt jedoch nur, wenn das Insulin nicht damit beschäftigt ist, Nahrung von außen zu verarbeiten. Wenn wir nicht essen. Denn das Insulin ist wie eine Straße mit nur einer Spur. Mal angenommen, zwei Autos kommen an eine Brücke, die über einen Fluss führt. Der Weg über den Fluss ist gerade einmal so breit wie ein Auto. Sie können also nicht aneinander vorbeifahren. Das heißt, eines der Autos muss auf einer Seite warten, bis das andere die Brücke passiert hat. Erst dann kann es losfahren und ebenfalls den Fluss überqueren. Beide Autos gleichzeitig können das nicht tun.
Genauso wirkt das Insulin. Entweder es lagert Fett ein oder es baut Fett ab. Beides gleichzeitig kann es nicht tun. Wir müssen also mit unserem Essen auf der einen Seite der Brücke warten, bis das Insulin auf der anderen Seite der Brücke genügend Fett abgebaut hat, um über die Brücke fahren zu können. Dann können wir selbst über die Brücke fahren und wieder Energie in den Kühlschrank legen.
Dieses Warten auf der einen Seite der Brücke geschieht normalerweise nachts, wenn wir sowieso nichts essen. Dann verbraucht unser Körper zuerst einmal die Energie, die wir ihm zuletzt zugeführt haben, und dann greift er für den Rest der Nacht auf unsere Fettdepots zurück.
Ist die Nacht sehr kurz, kann er nicht sehr viel Fett abbauen, wenn wir ihm gleich danach wieder Energie, also Nahrung, zuführen. Ist die Nacht jedoch lang oder wird noch durch Perioden, in denen wir nichts essen, verlängert, kann er viel Fett abbauen. Verlängern kann man die Nacht, indem man entweder abends nichts mehr isst oder morgens kein Frühstück isst.
Das Entscheidende beim Fettabbau ist also, dass wir das Insulin so wenig wie möglich triggern. Dass wir es so wenig wie möglich dazu anregen, Fett einzulagern. Und die Zeiten des Fettabbaus verlängern.
Wenn die Zeiten so lang sind, dass in ihnen viel Fett abgebaut werden kann, werden wir schnell schlank. Da kommen wir dann wieder zu dem Prinzip 16:8 oder 18:6. 16 Stunden nichts essen, in einem Fenster von 8 Stunden normal essen. Oder 18 Stunden nichts essen und in einem Fenster von 6 Stunden normal essen.
Wobei es den Fettabbau noch unterstützen würde, wenn wir während der Zeit, in der wir essen, das Insulin nicht zu sehr in die Höhe treiben, also wenig Zucker und Weißmehl essen. Denn sobald das Insulin in die Höhe getrieben wird, baut es kein Fett mehr ab, sondern lagert Fett ein.
Mit normalem Essen ist der Fettabbau meistens kein Problem, wenn man aber sehr viele Süßigkeiten und Weißmehl isst, erschwert man dem Insulin dadurch den Fettabbau im eigenen Körper sehr.
Dennoch kann man selbst mit so einer ungesunden Ernährung abnehmen, wenn man dazwischen lange genug fastet.
Ich persönlich würde ungesundes Essen nicht empfehlen, denn dadurch enthält man seinem Körper wertvolle Nährstoffe vor, und durch diesen Nährstoffmangel kann man dann krank werden. Süßigkeiten und Weißmehl enthalten keine Nährstoffe. Gesundes Essen wie Gemüse, naturbelassener Käse, naturbelassenes Fleisch (keine Wurst), Vollkornbrot, aber auch Kartoffeln und Reis, gesundes, natürliches Fett wie Butter und Sahne, aber auch Olivenöl, oder auch mal einen Apfel oder Himbeeren, Birnen und sämtliche Hülsenfrüchte wie Bohnen, Kichererbsen, Linsen helfen dabei, die Nährwerte zu bekommen, die man braucht, und immer satt zu sein.
Auf die Kalorien muss man dabei nicht achten. Man sollte immer so lange essen, bis man satt ist.
Das Schöne daran ist, dass unser Körper mit längeren Fastenperioden sehr gut umgehen kann. Das ist in unsere Gene eingepflanzt, denn vor tausend oder zehntausend Jahren gab es keine Supermärkte. Mit einem Überfluss an Nahrung, mit ständigem Essen ohne Pause außer vielleicht einmal die paar Stunden nachts, kann er nicht umgehen. Das ist nicht vorgesehen.
Es kommt also nicht darauf an, was man isst, sondern wie oft man isst. Wenn man zweimal am Tag in einem Fenster von 6-8 Stunden isst und dazwischen nichts isst, ist das lange genug, um Fett abzubauen. Wenn der Abstand zwischen dem Zeitpunkt, an dem man sich zum letzten Mal etwas in den Mund gesteckt hat, und dem Zeitpunkt, an dem man jetzt schon wieder isst, nur eine Stunde beträgt oder vielleicht zwei, reicht das nicht. Da ist das Insulin immer noch hoch und mit Fetteinlagerung beschäftigt, nicht mit Fettabbau.
Früher gab es einen Werbespruch im Fernsehen, der hieß: Die Milch macht’s. Das war natürlich bezahlt von der Milchindustrie, die mehr Milch verkaufen wollte.
Ich finde den Spruch aber gut. Ich würde ihn nur abwandeln in: Die Pause macht’s.
Essen ohne Pause oder nur mit kurzen Pausen macht dick.
Eine lange Pause über Nacht macht dünn.
Es ist also völlig egal, wie viele „Kalorien“ man isst. Es kommt darauf an, wie lang die Pause ist, die man seinem Körper gönnt, damit das Insulin seine Arbeit tun und Fett abbauen kann.